Reverse-Charge-Verfahren 

Wer als Unternehmer Kunden im EU-Ausland hat, wird den Begriff „Reverse Charge“ sicherlich kennen. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, bei welchem sich die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger überträgt. Doch wie funktioniert das genau und was gibt es zu beachten? Das erfahren Sie im Rechnung.de Ratgeber.
reverse charge

Inhaltsübersicht

Das Internet und der Binnenmarkt sogen dafür, dass es immer leichter wird, mit Kunden im europäischen Ausland Geschäfte zu machen. Dabei sind gerade kleinere Selbstständige oft mit den Anforderungen der Rechnungsstellung überfordert. Allerdings ist das Reverse-Charge-Verfahren relativ verständlich und einfach anzuwenden. Die Voraussetzung dafür: Beide Parteien müssen über eine Umsatzsteueridentifikationsnummer (VAT-ID) verfügen. 

Was ist das Reverse-Charge-Verfahren? 

Sämtliche Lieferungen und Leistungen unterliegen in Deutschland der Umsatzsteuer. Diese führt der Leistungserbringer an das deutsche Finanzamt ab. Bei grenzüberschreitenden Leistungen mehrere Staaten ist dies allerdings nicht so einfach. Denn bei Lieferungen und Leistungen zwischen zwei Unternehmen innerhalb der EU, liegt der steuerliche Leistungsort beim Leistungsempfänger. Wer in mehreren europäischen Ländern umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringt, müsste die Umsatzsteuer theoretisch in jedem Land seiner Kunden selbst abführen. 

Das kann sehr zeitaufreibend und kapitalintensiv werden, denn innerhalb der Europäischen Union herrschen unterschiedliche Steuergesetze und -Regelungen. Mit dem Reverse-Charge-Verfahren wird dies erheblich erleichtert. Bei einem Leistungsaustausch zwischen zwei Unternehmen, überträgt sich die Steuerschuldnerschaft automatisch auf den Leistungsempfänger. Dieser erhält damit eine Nettorechnung (mit Verweis auf Reverse Charge) und muss die Umsatzsteuer selbst abführen. Den Vorsteuerabzug kann dieser dabei direkt geltend machen. 

Das Reverse-Charge-Verfahren erleichtert den Leistungsaustausch und Warenverkehr innerhalb der Europäischen Union also erheblich. 

Wie funktioniert Reverse Charge in der Praxis?

Für Leistungserbringer ist das Reverse-Charge-Verfahren unkompliziert und einfach anzuwenden. Die Voraussetzung ist, dass sowohl der Leistungsempfänger als auch der Leistungserbringer über eine Umsatzsteueridentifikationsnummer verfügen. Auf der Rechnung wird dann ein Vermerk auf die „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers durch Reverse Charge“ eingefügt. Die Rechnung darf dabei keine Umsatzsteuer ausweisen. 

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Falls Sie eine Rechnungsvorlage nutzen, können Sie in die Spalte „Umsatzsteuer“ auch 0,00 Euro eintragen. Wenn Sie die Rechnung händisch oder mit unserem Rechnungsgenerator erstellen, können Sie die Umsatzsteuer bei Ihrer Reverse-Charge-Rechnung auch komplett entfernen.

Der Leistungsempfänger meldet dies dann bei dem zuständigen Finanzamt und führt die Umsatzsteuer ordnungsgemäß ab. Damit dies kontrolliert werden kann, ist der Leistungserbringer verpflichtet, die Namen der innereuropäischen Kunden und deren Umsatzsteueridentifikationsnummer an das Bundeszentralamt für Steuern zu melden. Die sogenannte „Zusammenfassende Meldung“ muss dabei elektronisch bis zum 25. Tag des Folgemonats (Bemessungsgrundlage über 50.000 € pro Quartal) oder bis zum 25. Tag nach Ablauf des Quartals (Bemessungsgrundlage unter 50.000 € pro Quartal) eingereicht werden. 

Beispiel zum Reverse-Charge-Verfahren:

Ein deutscher Webdesigner entwickelt für 5000 Euro eine Website für ein spanisches Unternehmen. Aufgrund des Reverse-Charge-Verfahrens erstellt der Webdesigner eine Netto-Rechnung mit dem Verweis auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers. Das spanische Unternehmen bezahlt die Nettorechnung und führt die Steuer in der Umsatzsteuervoranmeldung an das lokale Finanzamt ab. In dem Schritt holt es sich die Vorsteuer direkt zurück. 

Der deutsche Webdesigner erfasst die Lieferung in der Zusammenfassenden Meldung und weist die entstandenen Umsätze in der Umsatzsteuervoranmeldung aus. 

Was gilt für Lieferungen an Personen ohne Umsatzsteueridentifikationsnummer? 

Das Reverse-Charge-Verfahren gilt nur für Lieferungen und Leistungen zwischen zwei Unternehmen. Damit eine Person (juristisch oder natürlich) als Unternehmen angesehen wird, muss sie eine Umsatzsteueridentifikationsnummer haben. Liegt diese nicht vor, gelten die normalen Regelungen für Lieferungen an Privatpersonen. 

Die Lieferung ist dabei im Land des Leistungserbringers steuerpflichtig. Die Umsatzsteuer wird ganz normal auf die Rechnung aufgeschlagen und dann vom Leistungserbringer an das lokale Finanzamt abgeführt. Für B2C Unternehmen aus Ländern mit einer sehr hohen Umsatzsteuer, wie Griechenland oder Italien, ist das ein Nachteil. Denn diese werden es schwer haben, Privatpersonen aus Ländern mit eher niedriger Mehrwertsteuer als Kunden zu gewinnen. 

Was müssen Kleinunternehmer bei der Rechnungsstellung in das EU-Ausland beachten?

Kleinunternehmer weisen in Deutschland keine Umsatzsteuer aus und haben in der Regel auch keine Umsatzsteueridentifikationsnummer. Das bedeutet, dass sie nicht am Reverse-Charge-Verfahren teilnehmen und sich der Leistungsort daher nicht zum Leistungsempfänger verschiebt. Somit stellen Kleinunternehmer auch in das EU-Ausland ganz normale Rechnungen ohne Umsatzsteuer und weisen auf die Kleinunternehmerregelung hin. Dabei ist es egal, ob der Leistungsempfänger ein Unternehmen oder eine Privatperson ist. 

 Welche Pflichtangaben haben Reverse-Charge-Rechnungen? 

Die Pflichtangaben für eine Reverse-Charge-Rechnung unterscheiden sich etwas von den Pflichtangaben für Inlandsrechnungen. Grundsätzlich empfiehlt es sich, dass Rechnungen in das EU-Ausland auf Englisch verfasst werden, damit diese von beiden Parteien verstanden werden. 

Folgende Angaben sind bei einer Rechnung in das EU-Ausland erforderlich: 
  • Name und Anschrift des Leistungserbringers
  • Name und Anschrift des Leistungsempfängers
  • Umsatzsteueridentifikationsnummern beider Parteien (VAT-ID)
  • Eine Rechnungsnummer (Invoice Number) 
  • Ein Rechnungsdatum (Invoice Number)
  • Das Lieferdatum (Delivery Date)
  • Beschreibung und Menge der erbrachten Leistung (Product Description)
  • Leistungsentgelt als Nettobetrag (Price without VAT)
  • Ein Vermerk auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers aufgrund des Reverse-Charge-Verfahrens (Intra-Community Supply – Reverse Charge)
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Überprüfen Sie unbedingt die Gültigkeit der Umsatzsteueridentifikationsnummer Ihres Kunden. Ist diese nicht mehr gültig, kann es nachträglich sein, dass sich der Leistungsort zu Ihnen verschiebt und Sie Deutschland die Umsatzsteuer schulden. Hier können Sie die Umsatzsteueridentifikationsnummern in der EU überprüfen.

Reverse-Charge-Rechnungen schnell und unkompliziert erstellen

Sie sehen, dass das Reverse-Charge-Verfahren relativ komplex ist. Gerade als Soloselbstständiger kann es vorkommen, dass Sie unbemerkt Fehler machen, die Sie später teuer zustehen kommen könnten. Arbeiten Sie daher besonders sorgfältig und Sie werden feststellen, dass sich Reverse Charge für Sie lohnen wird. Denn so müssen Sie sich nicht mit ausländischen Finanzämtern auseinandersetzen und Ihr Kunde bleibt durch die Netto-Rechnung liquider. 

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